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Samstag, 23. Juli 2016

SUPER 700 / Under The No Sky

HERZPLATTENREMEBER THAT OLD SHIT
Kategorie: IndiePop, Pop
Veröffentlichung: 2012

 

2006 debütierte die bereits 2003 gegründete Berliner Band SUPER700 mit dem gleichnamigen Album auf Motor Music. Der Erfolg schien planbar, denn mit Gordon Raphael (The Strokes, Regina Spektor) fand man für das Debüt einen internationalen Produzenten und auch für das zweite Album "Lovebites" (2009) sicherte man sich mit Rob Kirwan (U2, PJ Harvey) einen internationalen Top-Produzenten. Aber der angestrebte Durchbruch gelang weder auf nationaler noch internationaler Ebene. Man erspielte sich zwar eine treue Fangemeinde, vor allem in der Berliner Heimat, aber die Band wollte mehr.

So entschloss man sich, das von den Starproduzenten erlangte Know-How zu benutzen, um das dritte Album "Under The No Sky" in Eigenregie zu produzieren. Das Ergebnis war berauschender IndiePop internationaler Klasse, das auch wegen der hervorragenden Produktion, aber noch mehr wegen des exzellenten Songwritings die beiden Vorgänger-Alben verblassen lies.

Das Album eröffnet mit "21st Century Girly" und sowohl Instrumentierung, die dramatische Komposition und auch die Stimme von Sängerin Ibadet Ramadani erinnern an Polly Jean Harvey. Der Unterschied zur  britischen Künstlerin liegt aber ganz klar im Hang von Super700, die Refrains in nahezu überirdisch schöner Harmonie schwelgen zu lassen. Dies gilt sowohl für eher düstere Songs wie "21st Century Girly" und noch mehr für Mid-Tempo-Pop-Songs mit melancholischer Note wie das nachfolgende "Life With Grace": "What you do is not what you want. I know that you know - live your life with grace- live your life with grace"



Als das Album erschien, waren meine Töchter an der Schwelle zum Teenageralter und eine gemeinsame Schnittstelle in der Musik zu finden, war, wie sich die Väter unter uns sicher denken können, nicht einfach, aber bei Super700 und deren Refrains, die man einfach mitsingen muss, weil sie so ergreifend schön sind, fanden wir einen gemeinsamen Nenner.

Ein weiteres Beispiel dafür ist eine meiner Lieblingsnummern von diesem Album: "Descent Snow". Bittersüße Streicher und schwelgerische Gitarren und die im Vergleich zu den Vorgänger-Alben, wo Ibadet noch von ihren Schwestern im Background begleitetet wurde, deutlich gereift und etwas rauchiger klingende Stimme.

"One Of A Kind" ist eine zerbrechliche Nummer mit Pianoklängen, einer verhalten verstimmten Gitarre und gedämpftem Schlagzeug. Mehr Kammermusik als Pop und am Ende mit deutlichen Referenzen zu Pink Floyd.

Ich weiß nicht, woher das Album diese immer präsente Melancholie hat, vielleicht weil die Band im Laufe der Zeit vier Mitglieder an das Leben verlor oder weil das Album Eindrücke aus einer China-Tournee verarbeitet, bei der die Band unter einer dicken Smog-Wolke den Himmel vermisste, sicher ist aber, dass der Titelsong des Albums "Under the No Sky, davon handelt, dass es sich im heißen Südostasien wohl so anfühlt als lebe man unter einer kolossalen Dunstglocke.



Die temporeichste Nummer des ansonsten sehr getragenen Albums ist "When The Evening Comes" - ein Popsong par excellence. Die Hookline sitzt wie ein Massanzug und die geschickten Tempowechsel, die gezupfte Gitarre und das an afrikanische Rhythmen erinnernde Schlagzeug sorgen für die besondere Note. Very fein, wie man hier zu sagen pflegt.

Nach so viel Tempo und Pop-Attitüde wird mit "Old Moon" die Stimmung wieder besinnlicher. Romantik strömt aus alle Tönen dieser an sich klassischen Singer/Songwriter-Ballade über die Sehnsucht unter dem fahlen Licht des Mondes.



"Dear Wolf" ist der Einzige auf "Under The No Sky", der etwas herausfällt, weil er deutlich näher am Rock als am Pop agiert. Die Gitarre traut sich Riffs, Ramadani schaltet ihre Stimme einen Gang tiefer und es gibt sogar Disonanzen zu hören.

Bei "Make Rain" steht nicht die Melodie im Fokus, sondern das orchestrale Arrangement und die ungewöhnliche Instrumentierung. Das Schlagzeug spielt den Trauermarsch der von Streichern und Glockenklängen flankiert wird. Drama Baby!

Es bleibt dramatisch. "My Bones" ist minimalistischer und das auffälligste Instrument ist die Flöte. Das hektische Keyboard und der langsame Rhythmus gepaart mit kleinen Soundeffekten erschaffen seltsamerweise eine Atmosphäre, wie man sie sonst eher aus dem Dub kennt.



Den Abschluss bildet der Lagerfeuer-Song "Queen Of Inbetween", bei den Ramadani zusammen mit einem männlichen Mitglied der Band singt. Die Nummer erhält urplötzlich eine dadaistische komödiantische Note, als der Gesang in "Quak-Quak"-Laute mündet -, muss man sich dran gewöhnen, kann man aber!

Seit vier Jahren warte ich nun schon auf ein Lebenszeichen der Band. Der letzte Eintrag auf der Facebook-Seite stammt vom 19. November 2014. Wird es ein viertes Album geben? Alles in Ordnung bei Ramadani, Terstegen (Keyboard, Gitarre, Bass), Haves (Bass) und Schmidt (Schlagzeug)? Hat sie das Leben bezwungen, oder Berlin verschluckt? 

Was bleibt ist die Hoffnung ...

Tracklist:
01 21st Century Girly
02 Life With Grace
03 Decent Snow
04 One Of A Kind
05 Under The No Sky
06 When The Evening Comes
 07 Old Moon
08 Dear Wolf
09 Make Rain
10 My Bones
11 Queen Of Inbetween

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