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Freitag, 24. Juni 2016

KEVIN MORBY / Singing Saw

Manchmal ist es hilfreich und die richtige Entscheidung, wenn man sich trennt. 2013 verließ KEVIN MORBY die von ihm mitgegründete Band Woods, woraufhin diese 2014 mit "With Light and with Love" ihr bisher bestes Album veröffentlichten, welches es in den Rock-n-Blog-Jahrescharts 2014 auf Rang 2 schaffte.


Seit seinem Ausstieg als Bassist bei den Woods, veröffentlichte Morby 2013 sein Soloalbum-Debüt "Harlem River" und im Jahr darauf das Album "Still Life". Aber erst mit der diesjährigen Veröffentlichung "Singing Saw" gelingt es Morby, seine Karriere als Singer/Songwriter auf das nächste Level zu heben und mit seiner ehemaligen Band in der gleichen Liga zu musizieren, denn dieses Album ist ein schier unglaubliches Füllhorn an Kreativität. Nicht die Art von Kreativität, die Dinge hervorbringt, die man so absolut noch nicht gehört hat, sondern die Art von Kreativität, die einen fragen lässt, wie er auf die Idee gekommen sei, dies so und nicht anders (wie gewohnt) zu machen.

Vielleicht ist die Zusammenarbeit mit anderen Künstlern der Schlüssel?

Auf "Singing Saw" arbeitete Morby zusammen mit Sam Cohen (Apollo Sunshine, Yellowbirds), Marco Benevento (Piano, Keyboards), Hannah Cohen und Lauren Balthrop (Elizabeth & the Catapult) als Background-Sängerin sowie den Schlagzeugern Nick Kinsey und Justin Sullivan (mit dem Morby auch bei der Band The Babies zusammenspielt). Für die Streicherarrangements verpflichtete er Oliver Hill und Eliza Bag, Saxofon und Flöte übernahm Alec Spiegelman und die Trompete Cole Kamen-Green. Die singende Säge bei  den Songs "Cut Me Down" und "Singing Saw" spielt kein geringerer als John Andrews von Quilt. Da hat sich schon eine erlesene Truppe an Musikern aus dem Raum New York/Boston zusammengefunden!

Los geht's mit "Cut me down". Die Säge schwingt so sanft, die Gitarre federleicht gezupft, der Bass so beschwingt sonor, die Streicher so zärtlich und die Stimme so klar. Ein Lied über den absoluten Nullpunkt im Tal der Tränen. Volle Punktzahl für den Opener? Eigentlich schon, käme danach mit "I Have Been to the Mountain" nicht ein Song, der zwangsläufig höher bewertet muss, weil er wie ein Monolith aus dem auch insgesamt absolut überzeugenden Album herausragt.

Besagter Song fußt auf eine Rede von Martin Luther King und ist dem von Polizisten getöten Afroamerikaner Eric Garner gewidmet. Er beginnt mit einem Geräusch das klingt, wie wenn eine Nadel über Vinyl rutscht, was bekanntlich unter Vinylsammler durchaus zu einem kontrollierten Wutanfall führen kann. Und genau wie ein kontrollierter Wutanfall klingt "I Have Been to the Mountain"!



Morby wütet! Er schreit nicht, aber er drückt seine Wut  in expliziten Stichworten aus, es gibt orchestrale Backing-Vocals, die Trompete bläst zum Marsch gegen das Unrecht und so ziemlich jeder an dem Album beteiligte Musiker marschiert mit. Fulminant, opulent, aber kontrolliert - ergreifend!

Durchaus auf einem Woods-Album könnte man sich den Track "Singing Saw" vorstellen. Nicht nur wegen der exorbitanten Länge von  mehr als 7 Minuten, sondern wegen der psychedelischen Komponente, welche die singende Säge implimentiert und der langsam anschwellenden Dramatik des Stückes.

Endlich wieder ein Lied für Trinker ;-). "Drunk and on a Star" passt sehr schön zu einem Schildchen, welches ich erst kürzlich auf einer Holland-Reise erworben habe: "Alkohol, weil noch nie eine gute Geschichte mit "Ich aß einen Salat ..." begann." oder um es mit Morbys Worten zu sagen: "And though I'm drunk and on a star. Hangs above just where I was. Going out, mouth full of laughter. Eyes like beams, head full of dreams"



Und schon wieder ein Song für die Girls-Playlist! Dieses Mal heißt die besungene Dame "Dorothy" und es ist kein sanfter, sondern ein rollender Song mit schrammelnden leicht verzerrten Gitarren und einem klimpernden Piano. Besungen wird eine Reise ans Meer, fischfangende alte Männer und das Mädchen Dorothy, mit dem er die ganze Nacht zum Tag machen möchte.

Die minimalistische Pianoballade "Ferris Wheel" klingt ganz anders als der vorhergehende Song: melancholisch, aber auch unschuldig und rührend. Auch "Destroyer" ist eine Ballade, aber mit vielen kleinen raffinierten Soundideen, herzzerreißenden Streicherpassagen und ohne große Hoffnung, dass Verluste sich vermeiden lassen. Nicht nur wegen des Songtitels, sondern auch wegen des Arrangements fühlt man sich stark an Dan Bejar erinnert!



Mehr nach Bob Dylan geklungen hat Morby noch nie als auf "Black Flower". Eine monotone maschinell klingende Rhythmik und ein poetischer Text: "In the garden where we built a home. And the roads that we built off the road. In the garden where we built a home. Once river they see they will know and the black flowers grow all around and the angels are died by sound?"

Der letzte Song "Water" verblüfft durch eine ausgeprägte Nähe zum traditionellen Country, obwohl er mit seinen Backing-Chorgesängen und den Bläsern durchaus neue Pfade bestreitet und natürlich auch wieder sehr dylanesque klingt. Höre ich da eine Slide-Guitar, obwohl ich dazu im Booklet keinerlei Hinweise finde? Egal, wenn ich das Wasser finde, werde ich gerne den Namen Kevin Morby rufen, ihn in Regen hüllen und löschen wie ein Feuer - allerdings nur, wenn er verspricht, seine kreative Flamme noch für ein paar ähnliche Alben lodern zu lassen.

Tracklist:
01 Cut Me Down
02 I Have Been to the Mountain
03 Singing Saw
04 Drunk and on a Star
05 Dorothy
06 Ferris Wheel
07 Destroyer
08 Black Flowers
09 Water

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