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Montag, 9. Februar 2015

ALT-J im Palladium in Köln [08.02.2015]

Fast genau vor 2 Jahren am 22.02.2013 durfte ich die Band aus Leeds auf der gegenüberliegenden Seite im E-Werk erleben. Ein phantastisches Spektakel einer neuen Band, der es bereits mit dem Debütalbum, veredelt durch den Mercury Prize für das beste Album 2012, gelang, die Massen zu mobilisieren. Natürlich ist auch die diesjährige Tour zum Nachfolgewerk "This is all Yours" restlos ausverkauft.

Schon gegen 19 Uhr ist die Parkplatzsituation ziemlich chaotisch, wahrscheinlich findet gegenüber im E-Werk irgendeine Pappnasen-Veranstaltung statt, aber ein Plätzchen findet sich und wichtig ist doch nur, dass man auch zum richtigen Event geht ;-).

Da mich mein (sonst) treuer Konzertbegleiter C. im Stich gelassen hat, bin ich heute ausschließlich mit netten Damen unterwegs. Diese trudeln auch langsam ein und wir suchen uns ein schönes Plätzchen in der Halle, um im soundtechnisch nicht gerade optimalen Palladium ordentlich was auf die Ohren zu bekommen.

Bereits kurz vor 20 Uhr betritt eine Band, die sich später als GENGAHR aus London herausstellt, die Bühne. Man muss sich erst etwas an den falsettartigen Gesang des Sängers gewöhnen - im Clip klingt er gar nicht so hoch, aber beim Konzert musste ich doch des Öfteren an die Wild Beasts denken - aber dann machen die Jungs ihre Sache ziemlich gut. Viel ist im Netz über die Band noch nicht zu erfahren, aber wer möchte kann unter https://soundcloud.com/gengahr/ mal einen Lauschangriff wagen - lohnt sich.



Miss Ehrenfeld N. hatte es schon verlauten lassen und tatsächlich, nach einer kurzen Umbaupause geht es weiter mit Support-Band Nummer zwei und zwar niemand geringerem als WOLF ALICE, ebenfalls aus London, die in diesem Blog bereits in den New Songs Vol. 25 vor geraumer Zeit Erwähnung fanden.

Der Wolf braucht leider etwas bis er in Betriebstemperatur ist, aber nach den ersten drei Stücken findet er seine Zähne wieder und heizt dem Publikum mit schrabbelnden Gitarren ordentlich ein. Eigentlich hat Frontfrau Ellie Rowsell alles (gutes Aussehen, tolle Stimme), um die Bühne komplett einzunehmen, aber die Bühnenpräsenz einer Rampensau hat sie leider auf gar keinen Fall. Schade, würde der Live-Musik von Wolf Alice sicher sehr zuträglich sein.



Aber was eine perfekte Live-Band ist, wird sie ja auf dieser Tour mit Alt-J erleben und vielleicht erscheint dann bei der nächsten Tour der Band ein wirklich gefährlicher Wolf auf der Bühne. Grrrrr! Nichtsdestotrotz der Abschlusssong "Fluffy" war natürlich großartig!

Dann eeeendlich betreten die Großmeister des Licht-Sound-Spektakels zu "Hunger of the Pine" die Bühne. Obwohl das Publikum wegen des späten Beginns (Sonntagskonzert!) stellenweise am Murren war, ist aller Ärger sofort verflogen, denn jetzt wird die Messe gelesen. Eine Umschreibung, die auf nichts besser passt als auf Konzerte von ALT-J, denn tatsächlich hat diese Musik in Verbindung mit der erneut exzellenten Lichtshow etwas Sakrales.

Als Zeremonienmeister inszeniert sich wieder einmal Keyboarder Gus Unger-Hamilton, der die Gemeinde mit Gesten problemlos in die gewünschte Stimmung bugsiert. Immer wieder pendelt die Musik zwischen laut und leise, zwischen musikalischen Akzentuierungen, zarten Chorgesängen und Beats, die wie Schüsse im gleißenden Licht einschlagen.

Ich hatte gedacht, dass Alt-J sich beim Set ziemlich an der wunderbar ausgefeilten Reihenfolge der Songs vom aktuellen Album halten würde, aber Erwartungen erfüllen, ist nicht das Ding von Alt-J. Eher Erwartungen übertreffen, denn sie verbinden problemlos die deutlich eingängigeren Songs vom Debütalbum mit den neuen etwas verquerteren Nummern.



Als "Something Good" mit seinem stolpernden Beat ertönt, weiden sich Augen und Münder öffen sich, um das Abendmahl zu empfangen: "Something good, oh something good, oh something good, oh something good tonight make me forget about you for now". So wurde es gesungen und so ist es gewesen. Derzeit sind Religionen ja in aller Munde und vielleicht ist es ja Zeit, um eine neue zu gründen? Leeds statt Jerusalem und Mekka?

Das erstaunlich an Alt-J ist, dass die Band die Massen begeistert, ohne massentaugliche Musik zu machen. Sänger Joe Newman hat eine sehr interessante Nuschelstimme, aber wäre er Kandidat in einer der beliebten Talentshows im TV, würde er doch niemals den Recall erreichen. Überhaupt sehen diese exzellenten Musiker nicht aus wie die typischen Cash-Maschinen der Plattenindustrie, oder kann sich jemand vorstellen, dass Alt-J Fotos mit nacktem Oberkörper und rausgestreckter Zunge posten und damit die Boulevardpresse in Ekstase versetzen kann?



Alt-J funktioniert ausschließlich über die Musik und das ist sehr sehr selten und sehr sehr gut. Etwas mehr als 4000 Menschen sind in eine Art Trance verfallen, ausschließlich fokussiert auf das, was da auf der Bühne geboten wird. Ob "Left Hand Free", "Dissolve me", "Matilda", "Fitzpleasure" oder mein aboluter Favorit "Tesselate", die Stimmung in der Halle kann man nur mir Erhaben umschreiben. Eigentlich würde es mich nicht einmal wundern, wenn einige Jünger hier den Kniefall wagen würden.

Nach etwa einer Stunde und 15 Minuten ist Schluss und der Tempel darf für andere Zwecke entweiht werden. Selbst dass irgendein Ungläubiger mit dem Einschalten des Saallichtes Nenas "99 Luftballons" erklingen lässt, stört meine Sanftmut und Zufriedenheit nicht - so darf Religion wirken.

Amen
Ö

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